SAP Service Cloud v2

„Quo vadis, SAP Service Cloud?“ – so habe ich im März noch einen Artikel auf LinkedIn abgeschlossen. Zum damaligen Zeitpunkt war es nämlich vor allem die Sales Cloud, die im Rahmen der vierteljährlichen Releases mit neuen Funktionalitäten ausgestattet wurde. Das Innovationstempo in der Service Cloud hingegen nahm kontinuierlich ab. Kurze Zeit später sieht die Welt schon ganz anders aus: auf der SAPPHIRE NOW 2022 in Orlando zum ersten Mal angekündigt, ließ die SAP nun weitere Einzelheiten folgen. Und man kann durchaus sagen: „Le roi est mort, vive le roi – Der König ist tot, lang lebe der König

Die Abgesänge auf die aktuelle Service Cloud-Lösung sind vermutlich noch etwas früh. Aber was die SAP unter dem Titel „Service Cloud Version 2“ ankündigte, dürfte mittel- und langfristig zur Ablösung dieser führen.

Ausgangssituation

Doch der Reihe nach: die Service Cloud ist nun seit über 10 Jahren auf dem Markt und die zugrunde liegende Plattform basiert auf Technologien und Design Standards, die an ihre Grenzen gelangen. Die SAP selbst spricht von den folgenden Problemfeldern:

  • Performance
  • Fehlende Flexibilität
  • Verfügbarkeit
  • Umständliche Bedienung
  • Unvollständige End-to-End-Prozesse

Um diese Probleme anzugehen, hat die SAP eine „Service cloud stack modernization“ ausgerufen. Mit dem Ziel, eine Plattform zu erschaffen, die auf aktueller Cloud-Technologie basiert und durch ihre Microservice-Architektur ein neues Level an Stabilität, Performance und Verfügbarkeit („Maximale Downtime von 13 Minuten in 6 Monaten“) bieten soll. Das Ergebnis hiervon nennt die SAP aktuell „SAP Service Cloud Version 2“.

Allgemein

Der Wechsel von der alten auf die neue Service Cloud ist dabei nicht nur eine zusätzliche Lizenzierung, verbunden mit der Aktivierung neuer Funktionalitäten. Es handelt sich um den Umstieg auf ein komplett neues Produkt. Dementsprechend ist auch ein Migrationsprojekt notwendig, ähnlich wie von SAP CRM auf SAP S/4HANA (wobei der Umfang deutlich geringer sein dürfte). Die Migrationstools selbst werden ab 2023 zur Verfügung stehen.

Das jüngst eingeführte Add-on-Modell wird zukünftig wieder vereinfacht, so beinhaltet die V2-Lizenz u.a. auch die Service Agent Console.

Funktionalitäten

In der Service Cloud Version 2 werden Servicevorfälle nicht mehr über Service Tickets, sondern über sogenannte Cases abgebildet. Dieses neu eingeführt Case Management soll eine deutlich höhere Flexibilität und vor allem eine bessere Integration in die Backend-Prozess bieten. Gerade bspw. die fehlende Integration der Service Tickets mit der S/4 Service Order hat in der Vergangenheit zu Problemen in der Implementierung durchgängiger und stabiler End-to-End-Prozesse geführt.

Das Case Management selbst basiert auf vordefinierten Prozessen, wie bspw. der Störungsbehebung, Beschwerde Management, Technikereinsätzen, etc. Der Agent wird dabei deutlich mehr geführt, als es in der bestehenden Lösung der Fall ist. Die Prozesse selbst können über das „Case Design Tool“ an unternehmensspezifische Prozesse angepasst werden.

Die Abgesänge auf die aktuelle Service Cloud-Lösung sind vermutlich noch etwas früh. Aber was die SAP unter dem Titel „Service Cloud Version 2“ ankündigte, dürfte mittel- und langfristig zur Ablösung dieser führen.

„Guided Procedure“ mit den Schritten „Collect info“, „Research“ und „Resolve“ (Quelle: „SAP Service Cloud Version 2 – A New Paradigm“ – 25.08.2022)

Neben dieser zentralen Änderung stellt die SAP noch weitere neue Features in Aussicht, wie „Live Transcript“, „Knowledge Base“, „Dynamic Visit Planning“, einer direkten Integration der Analytics Cloud u.v.m.

Extensibility

Der Vergangenheit angehören wird zukünftig die Möglichkeit Erweiterungen via PDI (Partner Development Infrastructure) zu implementieren. So war es bisher mit der Skriptsprache ABSL (Advanced Business Script Language) möglich, in den Programmablauf einzugreifen und bspw. zusätzliche Plausibilitätsprüfungen einzubauen.

Zukünftig kein Bestandteil mehr der Service Cloud: Erweiterungen via ABSL

Stattdessen sollen Erweiterungen zukünftig über die 2021 zugekaufte No-Code/Low-Code-Plattform AppGyver vorgenommen werden. Die Erweiterung selbst läuft auf der BTP und kann dann via Mash-Up in die Oberfläche eingebunden werden. Des Weiteren können aber, wie bisher auch, eigene Apps implementiert und eingebunden werden – unabhängig von AppGyver. Interessant ist aber die Aussage der SAP, dass AppGyver in der Service Cloud v2-Lizenz enthalten ist. Vor allem für Fachbereiche stellt dies eine interessante Möglichkeit dar, da so auch ohne Entwicklungs-Kenntnisse Erweiterungen vorgenommen werden können.

No-Code/Low-Code-Plattform AppGyver

Ausblick

Die SAP kündigt für Ende September 2022 ein erstes Release an, welches dann monatlich um neue Funktionalitäten ergänzt wird. Die „Feature parity“ mit der aktuellen Service Cloud ist für das 4. Quartal 2023 geplant, wobei nicht alle Funktionen 1:1 nachgebaut werden. Entweder weil diese aufgrund geänderter Prozesse keinen Sinn mehr machen oder durch neue Lösungen ersetzt werden (siehe Case Management vs. Service Ticket Management).

Ein „Sunset“ der bestehenden Service Cloud-Lösung ist aktuell nicht geplant. Stattdessen sollen neue Features sowohl für V1 als auch V2 zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zu V2 handelt es sich bei V1 aber über zusätzlich zu lizensierende Add-ons (analog Service Agent Console). Ob dies auch für zentrale Komponenten wie das Case Management gilt ist hingegen fraglich. Handelt es sich hierbei doch um zentrale Komponenten, die gerade in der „alten“ Welt nicht einfach ausgetauscht werden können.

Es ist noch zu früh, um diesen Paradigmen-Wechsel abschließend zu beurteilen. Aber die SAP hat die richtigen Pain Points identifiziert und ihre Schlüsse daraus gezogen. Gerade die Einführung des Case Managements, verbunden mit einer besseren Integration in die Backend-Systeme, klingt vielversprechend. Die SAP Service Cloud stellt bereits heute für viele unserer Kunden ein wichtiges und effizientes Tool bei der Abbildung ihrer Service-Prozesse dar. Hält die Service Cloud Version 2 aber was sie verspricht, könnte dies nochmal mit deutlichen Produktivitäts- und Effizienzgewinnen einhergehen.

 

 

Lohnt sich die Einführung der „alten“ Service Cloud überhaupt noch? Was kann man von v2 erwarten? Wie könnte eine mögliche Systemarchitektur mit der BTP und der Service Cloud aussehen? …

Kontaktieren Sie mich gerne und lassen Sie uns unverbindlich über diese Themen sprechen

Sascha Federau

Telefon: +49 (0) 175 8753461

E-Mail: sascha.federau@jfs-digital.com